Sie wohnen seit Mitte 2019 in der Tertianum Residenz Konstanz. Zu welchem Zeitpunkt haben Sie die Entscheidung getroffen, in eine Premium Seniorenresidenz zu ziehen?
Erst ab 90 hatte ich das „Älterwerden-Gefühl“. Ich lebe allein und halte nichts von dem Spruch „Wenn ich groß bin, solltest Du im Sessel ruhen und ich die Arbeit tun.“ Im Alter kann mir immer etwas passieren, doch ich wollte nicht, dass meine Kinder deshalb alles stehen und liegen lassen müssen. Also beschloss ich mit 92 Jahren, dass ein Ort, an dem ich gut versorgt bin, das Richtige für mich ist.
»Ich hatte totale Freiheit, um meine Wohnung nach meinen Vorstellungen zu gestalten, das war mir wichtig und nun ist mein neues Zuhause vielseitig und farbenfroh – so wie ich.«
Und was gab den Ausschlag für die Tertianum Residenz Konstanz?
Die Residenz war ganz oben auf meiner Wunschliste. Es ist nur ein paar Schritte vom Bodensee entfernt, ich bin hier sehr gut versorgt und habe alles. Was will ich mehr? Ich hatte totale Freiheit, um meine Wohnung nach meinen Vorstellungen zu gestalten, das war mir wichtig und nun ist mein neues Zuhause vielseitig und farbenfroh – so wie ich.
Ihre Offenheit ist ein Vorbild in der Residenz, denn sie haben keine Berührungsängste mit der Technik. Waren sie schon immer so technisch interessiert?
Mit 80 Jahren startete ich eine Art Digitaloffensive, denn meine Tochter wollte mich in bester Verfassung wissen und so habe ich mir ein Smartphone zugelegt und ihr bis heute jeden Tag ein Foto von mir geschickt. Mittlerweile mag ich Videotelefonie, steuere meine Hörgeräte über mein Smartphone oder bleibe geistig fit mit meiner Sudoku-App. Mein Vater, den ich als Scheidungskind erst später im Leben traf, betrieb einen Großhandel für Elektro- und Radiotechnik. Im Unternehmen habe ich meinen Mann Erwin kennen gelernt, wir gingen mit dem Unternehmen in die Schweiz und nach dem Studium meines Mannes nach Hegne. So kam ich an den Bodensee und ich vermute, die Technikleidenschaft hatte ich schon immer.
Sie sind nicht nur offen, sondern auch sehr kreativ. Sie schreiben gern Gedichte. Ist das eine lebenslange Leidenschaft oder gibt es auch dazu eine Geschichte?
Es fing an mit 70 Jahren. Ich habe immer gern gelesen und geschrieben, doch ich wollte etwas schaffen, das mehr Bestand hat. So schrieb ich mein erstes Gedicht und drückte Ideen, Gedanken und Empfindungen ab dann in Reimen und Versen, aber auch mit Humor aus, denn ich kann gut über mich selbst lachen.
»Wir sind eng und ehrlich, was auch bedeutet, dass jemand sagt „Mutter, Du nervst“ – und ich bin nicht beleidigt.«
Beim Dialog zwischen den Generationen teilen wir Erfahrungen und bereichern gegenseitig unser Leben. Wie läuft das bei Ihnen in der Familie?
Nachdem ich durch das Kriegsgeschehen und die Nachkriegsgeschichte an vielen Orten wohnte, war zwar immer Berlin mein Zuhause, doch ich suchte eine Heimat. Dieses Gefühl wollte ich meinen Kindern ersparen und vieles in der Erziehung anders machen. Das tat ich, so hatten die Kinder eine echte Heimat hier am Bodensee. Bis heute habe ich ein gutes Verhältnis zu meinen Kindern. Wir sind eng und ehrlich, was auch bedeutet, dass jemand sagt „Mutter, Du nervst“ – und ich bin nicht beleidigt. Auch meine Enkel sind Teil unseres Generationendialogs, den wir alle schätzen.
In Ihrem Leben haben Sie sehr schöne Zeiten verbracht, aber auch welche mit vielen Entbehrungen. Was würden Sie den Jungen in unserer Gesellschaft aus Ihrer Lebenserfahrung mit auf den Weg geben?
Für die Kinder gab es alles, dann gab es zu viel. Dann machten sich Neid und Missgunst breit. Jetzt glaube ich an die Jugend, denn bei uns ging es immer nur rauf und jetzt gehen die Jungen auch wieder bewusst runter. Sie sind alle so clever und gebildet, sie wollen bescheidener werden und sind bereit Neues zu finden. Keiner fragt verzweifelt: „Was machen wir jetzt?“ Ich habe alle Hoffnung, dass es besser wird. Das wird nicht leicht, aber so gebildet, wie ihr seid und vernetzt in der Welt, werdet ihr eine Lösung finden.
Sabrina Andorfer fragt zum Ende ihres Podcasts stets die gleiche Frage: „Was soll von Ihnen nicht verloren gehen?“. Wie lautete Ihre Antwort darauf?
Es ist eine Erkenntnis, die ich teile: „Wenn Dir das Leben Zitronen reicht, mach Limonade draus.“ Damit habe ich viele Situationen bewältigt und werde vermutlich 200 Jahre alt. Kleiner Scherz. (lacht)
Herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
Das komplette Interview finden Sie in der Podcast-Folge mit Hikke:
#41 Hikke – Erlebnisse aus 95 Lebensjahren