Sie sind nach 60 Jahren Leben in New York und erfolgreichem Wirken am dortigen Goethe Institut – inkl. Auszeichnung für Ihr Lebenswerk - vor etwas mehr als einem Jahr wieder nach Berlin zu Ihren Ursprüngen zurückgekehrt. Was war der Auslöser bzw. der Beweggrund für Sie?
Ich hatte ein aufregendes und wirklich spannendes Leben in New York. Mein Mann und ich haben viel erlebt, doch er ist nicht mehr da und ich kam irgendwann an einen Punkt, da wollte ich zurück nach Berlin, nach Hause und wollte mich auch allein sicher fühlen.
Ich bin zwar 1930 in Wuppertal-Barmen geboren, doch schon 1936 wohnte ich mit meinen Eltern und Geschwistern in Berlin am Mexicoplatz, bis der Krieg unser Leben massiv veränderte und ich mit der Familie Berlin verließ. Es folgten wunderbare Jahrzehnte, doch ich wollte zu meinen Wurzeln zurück. Also habe ich ein paar Dinge eingepackt und meine Nichte hat mich unterstützt, um ein passendes Domizil im geliebten Berlin zu finden.
»Hier im Tertianum achtet man darauf, dass es mir gut geht und ich erhalte ganz unkompliziert Unterstützung, wenn ich diese brauche. Genau das habe ich mitten in Berlin gesucht und hier gefunden. Das ist für mich wirklich ein beruhigendes Gefühl.«
Worauf haben Sie sich in Berlin am meisten gefreut?
Ich habe mich auf vieles gefreut. Ich bin näher bei meiner Familie. Mein Bruder lebt in Wolfsburg, wir haben uns schon besucht. Meine Nichte, die mir sehr nahesteht, lebt mit ihrer Familie ebenfalls in Berlin wie meine beste Freundin und einige gute Freunde, mit denen ich über die Jahrzehnte immer in Verbindung war. Ich besuche und werde besucht, das ist wunderbar. Ich war auch schon an Orten meiner Kindheit und merke, an wie viel ich mich noch erinnere.
Darüber hinaus habe ich mich auf die Metropole Berlin gefreut. Die Messlatte lag hoch für eine New Yorkerin, doch Berlin erfüllt meine Erwartungen in jeder Hinsicht. Ich bin in den vergangenen Jahrzehnten immer zur Berlinale in der Stadt gewesen und habe mit Begeisterung wahrgenommen, wie sich die Stadt weiterentwickelt hat. Ich war immer mit der Stadt verbunden und nun bin ich mittendrin, mache Besorgungen und genieße die Vielseitigkeit des Lebens hier. Berlin ist für mich die einzige wirkliche Großstadt in Deutschland, die so aufregend ist wie New York.
»Nun genieße ich mein Leben hier in meiner Wohnung mit viel Licht und meiner großen Dachterrasse mit blühenden Pflanzen in Töpfen.«
Was wollten Sie unbedingt auf die Reise in die Tertianum Residenz mitnehmen? Was war Ihnen wichtig?
Ein Stück Zuhause wollte ich mitnehmen und für mich sind das neben persönlichen Erinnerungen auch meine Möbel, die jeden Raum zu meinem Zuhause machen. Der Esstisch, den mein Mann gebaut hat. Diese Kiste, die wie eine Schatztruhe ist, und die Lounge Chairs von Charles und Ray Eames, auf denen Gäste Platz nehmen können. Zusammen mit einigen meiner Lieblingsbücher war mein neues Zuhause auch dank meiner Nichte schnell eingerichtet. Nun genieße ich mein Leben hier in meiner Wohnung mit viel Licht und meiner großen Dachterrasse mit blühenden Pflanzen in Töpfen.
Sie waren Interviewgast im Podcast „Die Dritten – Damit nichts verloren geht“ Damit haben Sie sich so wie wir für den Generationendialog engagiert. Gab es in Ihrem Leben schon andere Projekte oder Initiativen, bei den Sie sich für den Austausch zwischen Jung und Alt eingebracht haben? Wenn ja, welche?
Ich habe mich im Goethe Institut New York für die Aufarbeitung unserer Geschichte engagiert, was auch vielfach zum Generationendialog beigetragen hat. Was lernt die Jugend über unsere Vergangenheit, das ist eine Frage, die mich schon lange beschäftigt. Wir hatten im Goethe Institut früh auf Filmproduktion, -ausstellungen und -vorführungen gesetzt, denn im Bewegtbild und realen Aufnahmen aus vergangener Zeit wird vieles verständlicher und greifbarer. Die damals aus Deutschland geflohenen Juden erwarteten von uns immer eine Aufarbeitung, daran habe ich viele Jahre mitgearbeitet. Und die Erwartung, Geschichte zu verstehen und lebendig zu halten, ist bis heute ein Anspruch, den Film als unglaubliches Mittel erfüllen kann.
Der Film ist immer ein aktiver Teil meines Lebens gewesen und diese Leidenschaft teilen zu meiner Freude auch viele Jüngere. Ich befürchte jedoch, dass mein Lieblingsgenre der Stummfilm, heute nicht mehr so viele Fans hat. Doch er war damals der Durchbruch. Vom Malen zum bewegten Bild – später mit Ton – veränderte die Wahrnehmung und Bildung von Generationen.
Gibt es ein Lebensmotto, dass Sie mit uns teilen möchten?
Wir sollten dankbar sein und Freude empfinden – vor allem Freude an den Menschen und dem Zusammenleben.
Herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
Hören Sie sich die Podcast-Folge mit Ingrid an: #34 Ingrid – Krieg in Berlin & ein Leben in New York